Prävention
Ich liebe es ja, die Dinge an der Wurzel zu packen und somit das richtige Fundament für etwas aufzubauen. Deshalb tue ich alles dafür, dass meine Pferde keine Probleme mit ihren Hufen entwickeln und diese möglichst ihr funktionelle Form behalten, auch wenn das manchmal ziemlich aufwendig ist. Dazu ist natürlich eine regelmäßige korrekte huforthopädische Bearbeitung erforderlich, wie im Beitrag Die Chevalance Huforthopädie© beschrieben. Darüber hinaus sollte man aber präventiv handeln, um zusätzlich die richtigen Rahmenbedingungen für vitale Hufe zu schaffen. Denn, jedes Pferd hat es verdient, wenn man schon so viel von ihm abverlangt, dass man alles für sein Wohlbefinden tut. Wie das geht, erkläre ich Dir im folgenden Beitrag.
Wie man die Einflussfaktoren gestalten sollte
Auf einen Huf wirken unterschiedliche Druck-, Hebel- und Zugkräfte, die zu einer Deformierung der Hornkapsel führen und somit besondere Hufsituationen begünstigen, wie beispielsweise im Beitrag Hilfe bei Hufproblemen aufgelistet. Die Auswirkungen dieser Kräfte können bei der Befundung festgestellt werden, denn die meisten Symptome sind auf deren Wirkung zurückzuführen. Zu diesen Symptomen gehören beispielsweise Risse, Wölbungen oder Falten in der Hufwand, steile oder flache Hufwandabschnitte, untergeschobene oder eingerollte Trachten, ein angestauter Kronrand, Ausbrüche und viele mehr. Welche Symptome es noch gibt, erkläre ich Schritt für Schritt anhand von über 120 zum Großteil bebilderten Symptomen in meinem Buch Vitale Hufe.
Zwar ist eine regelmäßige huforthopädische Bearbeitung bei den heutigen, domestizierten Haltungsbedingungen unumgänglich, um die Hufe gesund zu erhalten, doch Deformierungen erst gar nicht entstehen zu lassen und somit den besonderen Hufsituationen vorzubeugen, ist mindestens genauso wichtig. Aus diesem Grund sollte man sich über die folgenden Dinge bewusst sein, die die Deformierung von Hufen wesentlich beeinflussen und zu den genannten Symptomen führen: Untergrund, Stallhygiene, Verwendung eines Hufschutzes oder Beschlages, Grad des Hornabriebs, Hufformen des Pferdes, Ernährung bzw. Stoffwechsel des Pferdes, Bewegungsablauf des Pferdes, Genetik des Pferdes, Natürliche Schiefe des Pferdes, Körpergewicht des Pferdes und des Reiters.
Ist man sich dieser Einflussfaktoren bewusst, kann man sie so gestalten, dass sie sich positiv auf die Hufgesundheit auswirken. Deshalb empfehle ich, ergänzend zu einer regelmäßigen huforthopädischen Bearbeitung, die folgende Gestaltung der aufgelisteten Einflussfaktoren, die sich in vielen Situationen bewährt hat. Der Fokus meiner Empfehlung liegt selbstverständlich auf der präventiven Gesunderhaltung der Hufe und gilt nicht, wenn eine besondere Hufsituation bereits eingetreten ist wie beispielsweise Hufrehe, eine Sohlenlederhautentzündung oder ein Hufgeschwür.
Untergrund
Meiner Erfahrung nach werden die Hufe der allermeisten Pferden zu wenig abgerieben, was nicht nur an der mangelnden Bewegung liegt, sondern an den weichen, abriebarmen Untergründen. Noch immer werden viele Pferde in Boxen auf Stroh gehalten, was die beiden genannten Probleme kombiniert. Zu wenig Hornabrieb führt zu langen Hufwandabschnitten, die in den weniger belasteten Bereichen zwangsläufig flach werden und nach außen hebeln. Das wiederum führt zu ausgeprägten Deformierungen und somit zu erheblichen Problemen. Darüber hinaus potenzieren weiche Böden die auf den Huf einwirkenden Hebelkräfte.
Aus diesem Grund empfehle ich feste, abriebstarke Untergründe wie beispielsweise gepflasterte oder asphaltierte Böden, am besten mit viel Auslauf. Selbstverständlich sollten diese Böden mit weichen Liegeflächen kombiniert werden. Solche Böden haben über den hohen Abrieb hinaus einen hygienischen Vorteil gegenüber weichen Böden. Feuchtigkeit und Bakterien gelangen viel schwieriger an die kritischen Stellen, wie beispielsweise in einen verbreiterten Hufbeinträger.
Bei festen Böden drückt darüber hinaus keine weiche Masse auf die Sohle und gegen den Tragrand von innen, die zum einen die Sohle mehr belastet als notwendig und zum anderen die Hebelwirkung bei flachen Hufwandabschnitten fördert. Der Tragrand kann außerdem bei festen Böden optimal den Bodengegendruck an die Hufwand und somit an den Hufbeinträger abgeben, der die Kräfte im Huf abfedert.
Gibt es übermäßig abriebstarke Zeiten, beispielsweise bei intensivem Training, kann der Abrieb mit weichen Stallmatten reduziert bzw. reguliert werden. Ist der Abrieb hoch, legt man die Matten aus, ist der Abrieb niedrig, entfernt man die Matten wieder.
Stallhygiene
Übermäßig viel Feuchtigkeit, Bakterien, Matsch, Pferdeäpfel oder feuchtes, mit Urin getränktes Stroh, können Auslöser sein für etliche Probleme wie beispielsweise Hufgeschwüre oder einen zersetzten Strahl. Anaerobe Bakterien gelangen in den Huf, werden dann von Schmutz oder gewachsenem Horn verschlossen und können sich dann entfalten, Horn von innen zersetzen und somit Hufgeschwüre verursachen. Besonders unbalancierte Hufe mit ausgeprägten Symptomen wie beispielsweise einem verbreiterten Hufbeinträger, einer holen Hufwand oder einer engen mittleren Strahlfurche sind in einer solchen Umgebung sehr anfällig.
Aus diesem Grund empfehle ich Pferde primär auf den zuvor bereits beschriebenen festen, abriebstarken Böden zu halten. Darüber hinaus sollten täglich die Hufe gründlich gesäubert werden, am besten einmal morgens und einmal abends, vor allem aber dann, wenn die Pferde im Matsch stehen und die Hufe solear durch Schmutz verschlossen werden. Steinchen im Hufbeinträger sollten unbedingt entfernt werden.
Sauerstoff und Trockenheit sind sehr wichtig für die Gesunderhaltung der Hufe und helfen bei etlichen Heilungsprozessen, vor allem bei Hufgeschwüren oder beim Heilen von verletzten Lederhäuten.
Hufschutz oder Beschlag
Abgesehen von einem Polsterverband, der beispielsweise als Hufschutz kurzfristig bei einem Hufreheschub oder bei einer Sohlenlederhautentzündung zum Einsatz kommen kann, hat ein mehr oder weniger starrer Hufschutz aus Kunststoff oder Eisen negative Auswirkungen auf die Hufgesundheit. Zwar reduziert ein solcher Hufschutz die Hebelkräfte am Tragrand und der Hufwand, doch er verlagert den Bodengegendruck vom Tragrand auf die Sohle, wodurch die Elastizität des Hufes erheblich eingeschränkt wird – vor allem die Funktion des Hufbeinträgers. Aus diesem Grund empfehle ich, auf einen dauerhaften Hufschutz zu verzichten und das Pferd Barhuf gehen zu lassen.
Grad des Hornabriebs
Der Hornabrieb wirkt sich in besonderem Maße auf die Hufgesundheit aus, vor allem, wenn zu wenig Horn abgerieben wird. In diesem Fall vergrößern sich die Hebelkräfte enorm und führen zu einer immer ausgeprägteren Deformierung, die wiederum Ursache für viele Probleme sein kann. Es gilt also das bereits unter dem Punkt „Untergrund“ geschriebene: Ein fester, abriebstarker Untergrund ist für einen ausreichenden Hornabrieb zu bevorzugen.
Sollte der Abrieb doch einmal höher sein, als das nachwachsende Horn, dann können in den abriebstarken Zeiträumen entweder elastische Matten im Stall verlegt oder Hufschuhe verwendet werden.
Hufformen des Pferdes
Selbstverständlich haben auch die unterschiedlichen Hufformen Einfluss auf die Hufgesundheit und die auf den Huf einwirkenden Kräfte. Ist die Deformierung eines Hufes bereits fortgeschritten, wie beispielsweise bei einem ausgeprägten Diagonalhuf, bieten sich feste Untergründe an, die für einen angemessenen Hornabrieb sorgen, um die Hebelkräfte im Huf zu minimieren. Bei einem Huf mit wenig Hornwachstum sind hingegen feste und abriebarme Böden zu bevorzugen. Bei allen Hufformen gilt allerdings: Die Hufe sollten regelmäßig huforthopädisch bearbeitet werden, um die Hufe wieder auszubalancieren oder in Balance zu halten.
Ernährung bzw. Stoffwechsel des Pferdes
Auch der Stoffwechsel eines Pferdes hat erheblichen Einfluss auf die Hufgesundheit und die auf den Huf einwirkenden Kräfte. Nimmt der Organismus eines Pferdes beispielsweise viel Eiweiß auf und produziert dadurch viel Horn, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Hufwandabschnitte länger werden und sie somit stärkeren Hebelkräften ausgesetzt sind als Hufwandabschnitte mit einer kürzeren Hornstrecke. Stoffwechselstörungen wie beispielsweise das Equine Metabolic Syndrom EMS können sogar Auslöser für Hufrehe sein, wodurch die Funktion des Hufbeinträgers außer Kraft gesetzt wird und erhebliche Hufprobleme die Folge sind.
Ich empfehle deshalb, den Stoffwechsel seines Pferdes von einem Experten untersuchen zu lassen und einen individuellen Ernährungsplan auszuarbeiten, um Stoffwechselprobleme allgemein und im Speziellen für gesunde Hufe zu vermeiden. Meist reichen gutes Heu, etwas gutes Stroh, sauberes Wasser und ein Leckstein mit den wichtigsten Mineralien. Während der Weidezeit ist hohes und dürres Gras grünem und saftigem Gras eindeutig zu bevorzugen.
Wie man die weiteren Einflussfaktoren gestalten sollte, erfährst Du in meinem Buch „Vitale Hufe“, das Du entweder gedruckt im Softcover oder als E-Book erwerben kannst.