Funktionsweise
Etwa zwei Jahre habe ich gebraucht, bis ich die Funktionsweise eines Hufe richtig verstanden habe. Das lag aber nicht an meinem Verstand (hoffe ich), sondern an den komplexen, unzureichenden und teilweise falschen Erklärungen, mit denen ich konfrontiert wurde. Als ich dann endlich die Funktionsweise verstanden hatte, habe ich ein weiteres Jahr darüber nachgedacht, welches allgemein bekannte Konstrukt oder Objekt genauso funktioniert, damit ich die Funktion eines Hufes ganz einfach erklären konnte. Und dann viel es mir irgendwann wie Schuppen von den Augen. Und damit Du nicht auch zwei Jahre brauchst, kläre ich Dich in diesem Beitrag auf.
So ähnlich wie ein Trampolin
Hufe sind Wunderwerke der Natur. Pferde laufen quasi auf Ihren Finger- und Zehenspitzen, mit denen sie ihr ganzes Gewicht tragen – und das bei sämtlichen Bewegungen, die teilweise extrem dynamisch sind. Damit die Hufe und die Gelenke diesen Belastungen ein ganzes Pferdeleben lang stand halten, hat die Evolution die Hornkapsel elastisch konstruiert. Der Huf federt also Kräfte ab und passt sich den Bodenunebenheiten an, die ihn beim Auf- und Abfußen beeinflussen. Diese Anpassungsfähigkeit nennt man den Hufmechanismus bzw. die Hufmechanik, ihr Erhalt ist wesentlich für die Gesunderhaltung des Hufes und sie kann nur ohne Hufschutz vollumfänglich genutzt werden.
Die Funktionsweise eines Hufes ist vergleichbar mit der Funktionsweise eines Trampolins. Eine auf einem Trampolin wippende (nicht hüpfende) Person entspricht bei diesem Vergleich dem Hufbein. Das Netz des Trampolins ist vergleichbar mit der Lederhaut, die das Hufbein umhüllt, und die Gummibänder, mit denen das Netz am Rahmen des Trampolins befestigt sind, entsprechen dem elastischen Hufbeinträger. Die Stützen des Trampolins stellen die Hufwand dar, die beim Auftreten auf den Boden einen Tragrand hat. Sowohl die wippende Person als auch das Hufbein beim Auftreten des Hufes erzeugen jeweils eine Gewichtskraft. Die Gummibänder zwischen Netz und Rahmen federn diese Gewichtskraft und den entgegengesetzten Bodengegendruck genauso ab wie der Hufbeinträger in Verbindung mit einer Hufwand mit Tragrand.
Die Prinzipien eines Hufes und eines Trampolins sind somit die gleichen: Die Gewichtskraft wird mithilfe eines elastischen Elementes abgefedert, beim Trampolin durch die Gummibänder, beim Huf durch den Hufbeinträger. Würde man die Stützen des Trampolins entfernen, würde das Trampolin die Gewichtskraft der Person nicht mehr abfedern. Entfernt man den Tragrand einer Hufwand, kann auch der Hufbeinträger seine elastische Funktion nicht mehr erfüllen. Diese Erkenntnis ist entscheidend für die Chevalance Huforthopädie© und somit für die Bearbeitung, die Gesunderhaltung und die Genesung der Hufe.
Die folgenden beiden Illustrationen verdeutlichen die Funktionsweise eines Hufes sowohl vor als auch während der Lastaufnahme. Das elastische Element unterhalb der Knochensäule ist dieses mal allerdings ein mit dem Hufbein verwachsenes Trampolin, zur Verdeutlichung der Funktionsweise.
Illustration eines Hufes mit einem Trampolin anstatt mit Hufbeinträger und Hornkapsel vor der Lastaufnahme, zur Verdeutlichung der Funktionsweise.
Illustration eines Hufes mit einem Trampolin anstatt mit Hufbeinträger und Hornkapsel während der Lastaufnahme, zur Verdeutlichung der Funktionsweise.
Ergänzend zum Hufbeinträger sind einige weitere Elemente ebenfalls sehr wichtig für die beschriebene Elastizität, dazu zählen die Hufknorpel, die Ballen, der Strahl und das Strahlpolster (siehe Anatomie). Vom Zustand dieser Elemente hängt also die Funktionsfähigkeit des Hufes ab. Sind beispielsweise die Hufknorpel verknöchert, wird die Elastizität eingeschränkt. Ist der Strahl klein, schmal und/oder von Bakterien zersetzt, wird die Elastizität eingeschränkt. Hat die Hufwand keinen Tragrand und kann somit den Bodengegendruck nicht an den Hufbeinträger weitergeben, wird die Elastizität eingeschränkt. Sind die genannten Hufelemente allerdings intakt, hat der Huf eine ausgeprägte Anpassungsfähigkeit und kann die auf ihn wirkenden Kräfte optimal abfedern.
Eine ausgeprägte Elastizität des Hufes sorgt darüber hinaus nicht nur für eine gute Lastaufnahme, Abfederung und Anpassung an Bodenunebenheiten, sie führt auch zu einer guten Durchblutung der Lederhäute. Die Folge dessen ist eine wesentlich bessere und qualitativ hochwertigere Hornproduktion, die den Huf widerstandsfähig und stabil macht.
Ist ein Huf beschlagen, werden sowohl seine Anpassungsfähigkeit als auch die Durchblutung seiner Lederhäute wesentlich eingeschränkt. Bei einem starren Eisenbeschlag mehr, bei einem Kunststoffbeschlag etwas weniger. Je nachgiebiger das Beschlagsmaterial ist, desto ausgeprägter sind Elastizität und Durchblutung.
Wie sich ein Beschlag genau auf einen Huf auswirkt, erfährst Du über die folgende Schaltfläche.
Wie ein Pferdehuf auf ebenen Böden, auf unebenen Böden und mit oder ohne Hufeisen funktioniert, erfährst Du in meinem Buch „Vitale Hufe“, das Du entweder gedruckt im Softcover oder als E-Book erwerben kannst.