Hufformen

Obwohl jeder Huf individuell und die Variantenvielfalt seiner möglichen Symptome enorm ist, so lassen sich dennoch einige typische Hufformen definieren, die immer wieder vorkommen. In den vielen Jahren meiner huforthopädischen Tätigkeit passte tatsächlich jeder Huf in eine dieser Kategorien, deren Besonderheiten ich Dir im Folgenden erläutere.

Der Huf in Balance

Illustrationen von einem vitalen Huf in Balance

Der Huf in Balance

Ein balancierter Huf erfüllt vollständig die Ziele der Chevalance Huforthopädie©, die im Beitrag Definition & Ziele beschrieben sind.

Einen absolut ausbalancierten Huf ließ sich leider nicht finden, deshalb zeigt das Beispiel oben Illustrationen davon. Einige Hufe sind zwar nah dran an der Balance, aber wenigstens kleine Symptome deuten bei allen Hufen auf eine Mehrbelastung bestimmter Bereiche hin.

Der einseitige Huf

Beispielbilder eines einseitigen Hufes

Der einseitige Huf

Wie unzählige Hufe in den letzten Jahren zeigten, ist einer der häufigsten Huftypen an den Vorder- oder Hinterbeinen der einseitig belastete Huf, bei dem entweder die mediale oder die laterale Hufhälfte mehr belastet wird. Der Huf befindet sich also in einer mediolateralen Dysbalance. Durch die Mehrbelastung wird auf der einen Seite mehr Horn abgerieben als gegenüber. Die Hufwand der weniger belasteten Seite wird durch den geringen Abrieb immer länger bzw. höher, wodurch sie in einem frühen Stadium des Deformierungsprozesses zunächst in den Kronrand staut. Wird der Huf über einen längeren Zeitraum nicht korrigiert, wird die Hufwand auf der weniger belasteten Seite noch länger, wodurch sie an Stabilität verliert und ihre Verbindung mit dem Hufbeinträger geschwächt wird. Die Hufwand auf der weniger belasteten Seite weicht zur Seite aus, wird flacher, verbiegt sich und der Kronrand darüber fällt allmählich ab. Die Hufwand der mehr belasteten Seite wird hingegen immer steiler.

Ein wichtiges Merkmal des einseitigen Hufes an einem Vorderbein ist die Abfußrichtung, die auf der mehrbelasteten Seite anhand der angelaufenen Zehenrichtung zu erkennen ist. Bei einem einseitigen Huf an einem Hinterbein findet man auf der mehrbelasteten Seite hingegen häufig eine mehr oder weniger angeschliffene Zehe. Der einseitige Huf wird also nicht nur auf einer Seite mehr belastet, er fußt vorne auch auf dieser Seite ab oder wird hinten auf dieser Seite angeschliffen. Grund für die unterschiedlich abgeriebenen Zehenbereiche sind die unterschiedlichen Bewegungsabläufe der Vorder- und Hinterbeine. Die Vorderhufe werden über den Untergrund abgerollt, die Hinterhufe aufgrund der sogenannten Spannsägenkonstruktion der Hinterbeine nicht.

Unabhängig davon, ob es sich um einen Vorder- oder Hinterhuf handelt, wird ein einseitiger Huf auf der mehrbelasteten Seite immer schmaler und auf der weniger belasteten Seite immer breiter, wenn er nicht korrigiert wird. Auf der mehrbelasteten Seite zeigen sich außerdem häufig die folgenden Symptome: Unterschiebende oder einrollende Trachtenwände, gestreckter Tragrand, hole Hufwand ohne innige Verbindung mit dem Hufbeinträger, ein ausgebrochener Tragrand aufgrund der hohen Belastung, steile Trachtenendkante, angelaufene Zehenrichtung am Vorderhuf, angeschliffene Zehe am Hinterhuf, ein schmaler Ballen uvm.

Auf der weniger belastenden Seite sind dagegen häufig die folgenden Symptome zu finden: Flache Trachtenendkante, erweiterter Hufbeinträger, ausgeprägte Eckstrebenausläufer, schwer einsehbare seitliche Strahlfurche, gerundeter Tragrand, Zehenabweiser am Vorderhuf, Hornrücken am Hinterhuf, breiter Ballen uvm. Mehr dazu findest Du in meinem Buch Vitale Hufe.

Je ausgeprägter diese Symptome sind, desto fortgeschrittener ist der Deformierungsprozesses des Hufes, auch innerhalb der Hornkapsel. Auf der mehrbelasteten Seite werden beispielsweise die Gelenke, die Bänder und die Knochen mehr beansprucht als gegenüber. Dies führt auf dieser Seite unter anderem zur Quetschung des Hufknorpels und letztendlich zu eine Veränderung der Knochen, die Knochenbiomorphose schreitet voran. Haben sich die Knochen einmal verändert, lässt sich dieser Prozess zwar durch eine regelmäßige, belastungsgerechte, huforthopädische Bearbeitung aufhalten, aber nur schwer wieder umkehren.

Einige der aufgelisteten Symptome sind auf den Bildern des Beispiels oben zu sehen, bei dem der Huf vorne links lateral mehr belastet wird und außerdem auf dieser Seite abfußt. Der Fokus bei der Bearbeitung eines einseitigen Hufes liegt in der Regel auf der weniger belasteten Hufhälfte, die wieder mehr abgerieben werden und wieder eine bessere Tragfähigkeit erlangen soll. Detailliert wird die Bearbeitung des einseitigen Hufes in meinem Buch Vitale Hufe beschrieben.

Der Diagonalhuf

Beispielbilder eines Diagonalhufes

Der Diagonalhuf

Ähnlich wie bei einem einseitigen Huf wird auch bei einem Diagonalhuf eine Hufhälfte mehr belastet als die andere, vorzugsweise ist das der mediale Trachtenbereich. Im Gegensatz zu einem einseitigen Huf fußt das Pferd allerdings nicht auf der mehr belasteten Seite ab, sondern auf der weniger belasteten Seite diagonal gegenüber. Aufgrund der unterschiedlichen Bewegungsabläufe der Vorder- und Hinterbeine tritt dieses Abfußverhalten nur an den Vorderbeinen auf. An den Hinterbeinen konnte ich noch keinen Diagonalhuf identifizieren.

Durch die diagonale Abfußrichtung eines solchen Hufes wird die Zehenwand auf der mehr belasteten Seite weniger und auf der weniger belasteten Seite gegenüber mehr abgerieben. Den weniger abgeriebenen Bereich auf der mehr belasteten Seite nennt man den Zehenabweiser, den mehr abgeriebenen Bereich auf der weniger belasteten Seite nennt man die angelaufene Zehenrichtung. Wird ein solcher Huf nicht korrigiert, wird der Zehenabweiser durch den geringen Abrieb immer länger, weicht nach vorne aus und wird dadurch immer flacher. Der Zehenabweiser manifestiert sich und erschwert dem Pferd das mittige Abfußen. Der Huf beginnt sich beim Abfußen immer mehr zu verdrehen.

Da das diagonale Abfußen wesentlich kraftaufwendiger ist als das Abfußen mittig oder auf der mehrbelasteten Seite, wirken sowohl auf die Hornkapsel als auch auf die Knochensäule darüber wesentlich stärkere physikalische Kräfte. Vor allem die Torsion macht den Gelenken zu schaffen. Durch die einwirkenden Kräfte schreitet die Knochenbiomorphose stetig voran, vor allem am Hufbein, das sich immer mehr dieser Situation anpasst. Resultat ist eine erhebliche Deformierung, durch die sich meist die Seitenwand auf der weniger belasteten Seite rundet und flacher wird, wie die Bilder des vorherigen Beispielhufes vorne links zeigen.

Die gerundete Seitenwand ist ein typisches Symptom eines Diagonalhufes, ergänzend zum Zehenabweiser auf der mehr belasteten Seite und zur angelaufenen Zehenrichtung auf der weniger belasteten Seite. Wird ein Diagonalhuf mit einer gerundeten Seitenwand weiterhin nicht korrigiert, können sich zusätzliche Deformierungen ergeben. Sowohl die Trachtenwand als auch der Ballen auf der weniger belasteten Seite verschieben sich dann nach hinten (palmar). Die Bilder des folgenden Beispielhufes vorne rechts zeigen ansatzweise einen solchen Diagonalhuf, bei dem die beschriebene Deformierung gerade begonnen hat. Die Trachtenendkante auf der weniger belasteten Seite ist deutlich weiter hinten als die Trachtenendkante auf der mehr belasteten Seite.

Beispielbilder eines Diagonalhufes mit verschobener Trachte

Der Diagonalhuf 2

Ist ein Huf verhältnismäßig steil und stabil, kann sich die seitliche Hufwand auf der weniger belasteten Seite oft nicht runden, wodurch sich auch in einem solchen Fall sowohl die Trachte als auch der Ballen nach hinten verschieben (palmar).

Unabhängig davon, wie weit fortgeschritten die Deformierung eines Diagonalhufes ist, der Fokus bei der Bearbeitung liegt zum einen auf der weniger belasteten Seite, genauso wie bei einem einseitig belasteten Huf, zum anderen muss zusätzlich die Hufwand des Zehenabweisers auf der mehr belasteten Seite bearbeitet werden. Die weniger belasteten Bereiche sollen wieder mehr abgerieben werden, ihre Tragfähigkeit zurückerhalten und die mehr belasteten Bereiche entlasten. Detailliert wird die Bearbeitung des Diagonalhufes in meinem Buch Vitale Hufe beschrieben.

Der Platthuf

Beispielbilder eines Platthufes

Der Platthuf

Der Platthuf entspricht eigentlich einem der zuvor aufgeführten Huftypen, allerdings mit extrem ausgeprägten schrägen seitlichen Hornwänden, sowohl auf der weniger als auch auf der mehr belasteten Hufhälfte. Bei einem Platthuf werden darüber hinaus Sohle und Strahl übermäßig beansprucht, da die Hufwand einen Großteil ihrer Tragfähigkeit eingebüßt hat. Die Ballen eines Platthufes sind meist breit und gequetscht. Das Beispiel oben zeigt einen Diagonalhuf mit den aufgeführten Symptomen eines Platthufes vorne links.

Im Gegensatz zu den vorherigen Huftypen muss beim Platthuf nicht nur die weniger belastete Hufhälfte bearbeitet werden, sondern außerdem die mehr belastete Hufhälfte. Auch die Hufwand auf der mehr belasteten Seite soll nach der Bearbeitung wieder mehr Last tragen können. Wichtig dabei ist allerdings, dass diese Hufwand so schonend wie möglich bearbeitet wird, damit sie durch die Bearbeitung ihre Stabilität nicht verliert. Der Tragrand der mehrbelasteten Hufhälfte sollte nach der Bearbeitung wesentlich weniger abgerieben werden als der Tragrand auf der weniger belasteten Seite. Detailliert wird die Bearbeitung eines Platthufes in meinem Buch Vitale Hufe beschrieben.

Der Zwanghuf

Beispielbilder eines Zwanghufes

Der Zwanghuf

Der Zwangshuf zeichnet sich im Wesentlichen durch eine nach hinten gebrochene Huf-Fessel-Achse und durch eng zusammenliegende Trachten aus, die alle dazwischen liegenden Strukturen zusammendrücken. Davon betroffen ist der Strahl, das Strahlpolster, die tiefe Beugesehne und die beiden Hufknorpel, die dadurch zwischen Kronbein und Hufwand weniger Platz haben. Die Trachten sind bei einem Zwanghuf oft untergeschoben oder eingerollt, die Seitenwände meist steil oder übersteil und die Zehenwand ist in der Regel sehr flach zum Boden ausgerichtet. Eine Deformierung des Hufbeines in eine längliche Form und die Verknöcherung der Hufknorpel sind bei einem dauerhaften Zwang wahrscheinlich.

Die Ursachen für einen Zwanghuf können unterschiedlich sein. Sowohl eine Überlastung als auch eine Entlastung der Trachten ist möglich, letzteres beispielsweise bei einer Hufrollenentzündung oder einer Erkrankung des Strahlbeines. Die Ursache kann aber auch an einer falschen Bearbeitung liegen. Unabhängig von der Ursache liegt der Fokus bei der Bearbeitung eines Zwanghufes, wie so oft, auf dem weniger belasteten Bereich. Die Zehe muss wieder mehr Last aufnehmen können, um die Trachten zu entlasten. Detailliert wird die Bearbeitung eines Zwanghufes in meinem Buch Vitale Hufe beschrieben.

Der Bockhuf

Beispielbilder eines Bockhufes

Der Bockhuf

Ein Bockhuf ist ein sehr steiler Huf mit einer steilen, nach vorne gebrochenen Huf-Fessel-Achse und einer Flexion im Hufgelenk, wie das Beispiel oben zeigt (siehe Longitudinale Lastverteilung). Die Flexion kann entweder angeboren oder von einem Sehnenstelzfuß verursacht worden sein.

Der Sehnenstelzfuß zeichnet sich im Wesentlichen durch eine verkürzte tiefe Beugesehne aus, die bei der Belastung nicht die erforderliche Elastizität aufweist und zu der erwähnten Flexion im Hufgelenk geführt hat. Der Bockhuf eines Sehnenstelzfußes ist im Vergleich zum Parallelhuf meist wesentlich steiler und kleiner, weil er geschont und deshalb weniger belastet wird. Die Mehrbelastung des Parallelhufes kann leicht an dessen ausgeprägten Symptomen erkannt werden. Weitere markante Merkmale eines Sehnenstelzfußes sind eine steile Schulter und ausgeprägte Unterstützungsbänder seitlich der Fessel, die gut anhand einer Vertiefung zu erkennen sind. Manchmal verläuft die Zehe des Bockhufes sogar konkav (schnabelnd), trotz seiner steilen Ausrichtung zum Boden – meist bei einem Sehnenstelzfuß. In einem solchen Fall werden die Zehe und die tiefe Beugesehne mehr belastet als die Trachten. Die tiefe Beugesehne hat dann ihre maximale Dehnbarkeit erreicht.

Wie die Bilder des folgenden Beispiels zeigen, muss ein Sehnenstelzfuß nicht immer nur auf einer Seite auftreten, auch parallele Sehnenstelzfüße sind möglich.

Beispielbilder von zwei Sehnenstelzfüßen hinten

Zwei Hufe von zwei Sehnenstelzfüßen hinten.

Die Ursachen eines Sehnenstelzfußes sind vielfältig. Möglicherweise hat sich das Pferd eine bestimmte Haltung beim Fressen angewöhnt, durch die der entsprechende Huf entlastet wird. Die Entlastung oder Schonung kann aber auch durch eine Verletzung der Sehnen, durch eine Sehnenscheidenentzündung oder durch eine Entzündung des Hufrollenkomplexes verursacht worden sein. Möglich ist auch, dass sich ein Sehnenstelzfuß durch unterschiedliche Wachstumsphasen des Beugeapparates im Vergleich zu den Knochen entwickelt hat, beispielsweise durch eine bestimmte Fütterung. Wenig Bewegung oder weiche Böden, vor allem im Fohlenalter, können ebenfalls Ursache für einen Sehnenstelzfuß sein. Der sogenannte Fohlenschnabel (eine flach verlaufende Zehe) verliert bei weichen Böden seine Wirkung, wodurch sich die tiefe Beugesehne nicht ausreichend dehnen und der Huf somit steiler werden kann. Die Zehe sollte deshalb im Fohlenalter nicht unnötig gekürzt werden, um die Dehnbarkeit der tiefen Beugesehne zu fördern.

Ursache für einen Sehnenstelzfuß kann selbstverständlich auch eine unterlassene oder eine falsche Hufbearbeitung sein, besonders dann, wenn die Trachten zu wenig gekürzt und/oder die Zehe dafür zu sehr gekürzt wurde.

Unabhängig davon, ob ein Bockhuf angeboren ist oder durch einen Sehnenstelzfuß verursacht wurde, der Fokus bei der Bearbeitung gilt den Trachten, die entweder angemessen gekürzt werden müssen oder deren Abrieb gefördert werden muss. Wichtig dabei ist allerdings, dass die longitudinale Lastverteilung zwischen den Trachten, der Zehe und der tiefen Beugesehne immer ausgewogen bleibt. Nimmt die Zehe einen konkaven Verlauf, wird sie zusammen mit der tiefen Beugesehne überlastet. In diesem Fall muss die steile Ausrichtung des Hufes akzeptiert werden, da die tiefe Beugesehne nicht weiter durch die Hufbearbeitung gedehnt werden kann. Aus diesem Grund muss die Entwicklung des Hufes ganz genau beobachtet werden, um die Bearbeitung bei Bedarf entsprechend anpassen zu können. Detailliert wird die Bearbeitung eines Bockhufes in meinem Buch Vitale Hufe beschrieben.

Lässt sich der Bockhuf eines Sehnenstelzfußes nicht weiter durch eine huforthopädische Bearbeitung verbessern, kann möglicherweise eine physiotherapeutische oder eine osteopathische Behandlung helfen, die Elastizität der tiefen Beugesehne zu verbessern. In ganz schlimmen Fällen kann auch eine Desmotomie helfen, bei der die Unterstützungsbänder der tiefen Beugesehne durchtrennt werden. Diese Maßnahmen sollen an dieser Stelle allerdings nicht bewertet werden, da sie nichts mit einer Barhufbearbeitung zu tun haben. In jedem Fall muss bei einem Sehnenstelzfuß die Ursache beseitigt werden, wofür stets ein Tierarzt hinzugezogen werden muss.

Weitere typische Hufformen findest Du in meinem Buch Vitale Hufe.