Hufgeschwür und Abszess

Das Pferd zeigt bei einem Hufgeschür oder einem Abszess meist eine Stützbeinlahmheit am betroffenen Bein. Es entlastet also den schmerzenden Bereich des Hufes, zum Beispiel die Trachten, und stellt das Bein stattdessen auf dem anderen Bereich ab, zum Beispiel auf der Zehe. Die Lahmheit kann gering sein, aber auch sehr stark ausgeprägt, sodass das Pferd gar nicht mehr laufen möchte. Wie Du in einem solchen Fall vorgehen solltest und was der Unterschied ist zwischen einem Hufgeschwür und einem Abszess, erkläre ich Dir im folgenden Beitrag.

Achtung! Das folgende Vorgehen muss unbedingt mit einem Tierarzt abgestimmt und von einem erfahrenen Hufbearbeiter durchgeführt werden.

Was tun beim Verdacht auf ein Hufgeschwür?!

Hufe sind, abhängig von ihrer physiologischen Verfassung und der Stallhygiene, mehr oder weniger anfällig für Hufgeschwüre. Je sauberer und trockener der Untergrund und je tragfähiger ein Huf ist, desto unwahrscheinlicher ist die Entstehung eines Hufgeschwürs. Ist ein Huf hingegen deformiert und bewegt sich auf schmutzigem und feuchtem Untergrund, steigt die Gefahr vor einem Hufgeschwür. Bakterien aus der Darmflora setzen sich dann an einer spröden Sohlenoberfläche, an einem zerfledderten Strahl, in einer tiefen Strahlfurche oder am verbreiterten Hufbeinträger fest. Werden die Bakterien dann von Schmutz oder überwachsenem Horn eingeschlossen, entsteht ein ähnliches Milieu wie im Darm: warm, feucht und anaerob. Die Bakterien fühlen sich in einer solchen Umgebung besonders wohl, werden aktiv, zersetzen Horn und arbeiten sich in das Hufinnere.

Übt die durch die Zersetzung entstehende graue Flüssigkeit Druck auf die Lederhaut aus und greift sie an, verursacht das Schmerzen, die zu einer Lahmheit führen können. Das Pferd entlastet bei einer solchen Stützbeinlahmheit den entsprechenden Bereich des Hufes, zum Beispiel die Trachten, und stellt das Bein stattdessen auf dem anderen Bereich ab, zum Beispiel auf der Zehe.

Stützbeinlahmheit mit Entlastung der Trachten aufgrund eines Hufgeschwürs

Beispiel für eine Stützbeinlahmheit bei einem Hufgeschwür im Trachtenbereich, dessen Bearbeitung in den folgenden vier Abbildung dargestellt ist.

Da sich die Bakterien durch den Huf nach oben durcharbeiten, kommen sie in der Regel irgendwann am Kronrand an und brechen dann wieder aus der Hornkapsel heraus. Eine solche Stelle bezeichnet man als Geschwürdurchbruch.

Bricht ein Hufgeschwür dagegen nicht am Kronrand heraus, weil das Horn möglicherweise zu hart ist und weil es weder entdeckt noch korrekt behandelt wurde, dann kann es einen dauerhaften Druck auf die Lederhaut ausüben, der ihre Funktionsfähigkeit einschränkt und außerdem erhebliche Schmerzen verursacht.

Vorgehen bei Verdacht auf ein Hufgeschwür

Besteht der Verdacht auf ein Hufgeschwür, das noch nicht am Kronrand herausgebrochen ist, wie beim Huf in der folgenden Abbildung gezeigt, dann muss der Huf gründlich mit einer Hufuntersuchungszange abgetastet und untersucht werden. So soll die Lage des Hufgeschwürs eingegrenzt werden, um in der Nähe nach einer möglichen Eintrittsstelle der Bakterien suchen zu können.

Ein Huf vor der Suche nach einem Hufgeschwür von unten

An diesem Huf reagierte das Pferd an der lateralen Trachte auf die Hufuntersuchungszange, weshalb in diesem Bereich nach der Eintrittsstelle gesucht werden musste (siehe nächste Abbildung).

Dazu werden zunächst die Sohle und das Hufbeinrandhorn distal des Hufbeinträgers mithilfe eines Hufmessers vorsichtig geglättet. Zeigen sich hierbei Vertiefungen oder kleine Löcher, wie beim Huf auf der folgenden Abbildung, dann müssen diese mithilfe eines Scharfen Löffels überprüft und nach dem Eintrittskanal gesucht werden.

Ein Huf mit teilweise geglätteter Sohle auf der Such nach der Eintrittstelle eines Hufgeschwürs

Nach dem Glätten der Sohle zeigte sich mittig eine kleine, potenzielle Eintrittsstelle für die Bakterien des Hufgeschwürs, die untersucht werden musste (siehe nächste Abbildung).

Wurde die richtige Stelle gefunden, muss der Kanal millimeterweise vorsichtig freigelegt werden, wie auf der folgenden Abbildung dargestellt. Dazu sucht man mithilfe des Scharfen Löffels immer wieder nach der Richtung des Kanals und öffnet ihn dann mit dem Hufmesser, ohne dabei die Lederhaut zu verletzen.

Huf mit der gefundenen Eintrittstelle eins Hufgeschwürs und langsames Öffnen des Hufgeschwürkanals

Das kleine Loch mittig der Sohle entpuppte sich tatsächlich als die Eintrittsstelle für die Bakterien des Hufgeschwürs, dessen Kanal geöffnet werden musste (siehe nächste Abbildung).

Wichtig beim Öffnen des Hufgeschwürkanals ist außerdem, dass kein oder nur minimal tragfähiges Horn entfernt werden darf, das gilt vor allem für die Eckstreben und die Hufwand! Lässt sich der Kanal nicht vollständig öffnen, können die restlichen Bakterien im Kanal mithilfe eines schonenden, antibakteriellen Mittels bekämpft werden, zum Beispiel mit Propolis-Tropfen.

Durch das Öffnen und Freilegen des Hufgeschwürkanals kann die graue, Druck ausübende und Schmerzen verursachende Flüssigkeit herausfließen. Sauerstoff kann nun in den Kanal eindringen und die anaeroben Bakterien eliminieren. Die schlimmsten Schmerzen lassen meist umgehend nach und der Heilungsprozess kann beginnen.

Huf mit einem geöffneten Hufgeschwürkanal

Hier wurde der Hufgeschwürkanal sachgemäß soweit wie möglich geöffnet, ohne die Lederhaut zu verletzen und ohne die Eckstrebe oder die Hufwand zu schwächen.

Nach dem Freilegen des Hufgeschwürkanals kann er für ein bis zwei Tage mit etwas Hanf ausgestopft und verbunden werden, bis etwas neues Horn nachgewachsen ist. Wichtig ist, dass der Kanal sauber und trocken bleibt, damit das nachwachsende Horn die geöffnete Stelle wieder vollständig verschließen kann. Bis dahin muss der Huf täglich gründlich gereinigt werden, damit nicht wieder ein neues Hufgeschwür an der geöffneten Stelle entstehen kann. Damit der Heilungsprozess nicht verschleppt wird, sollte auf entzündungshemmende Medikamente verzichtet werden – die Verantwortung dafür liegt allerdings beim Tierarzt, wie bei allen Huferkrankungen.

Selbstverständlich muss der Huf nach dem Öffnen des Hufgeschwürs beobachtet werden. Lahmt das Pferd nach einigen Tagen noch immer, kann es sein, dass das Öffnen nicht ausreichte, um das Hufgeschwür zu eliminieren. In diesem Fall sollte mithilfe eines Angussverbandes das Horn des Hufes aufgeweicht werden, damit den Bakterien der Weg nach draußen erleichtert wird und das Hufgeschwür herausbrechen kann.

Vorgehen bei Verdacht auf ein Hufgeschwür ohne gefundenen Eintrittskanal oder bei anhaltenden Schmerzen

Besteht der Verdacht auf ein Hufgeschwür, das noch nicht am Kronrand herausgebrochen ist und von dem auch nach intensiver Suche kein Eintrittskanal zu finden ist, dann sollte das Hufhorn mithilfe eines Angussverbandes eingeweicht werden. Das gleiche gilt, wenn der Eintrittskanal zwar gefunden wurde, er aber nicht vollständig geöffnet werden konnte und das Pferd weiterhin Schmerzen hat. Den Bakterien des Hufgeschwürs soll so ermöglicht werden, sich leichter durch das nun weiche Horn nach draußen arbeiten zu können.

Der Angussverband sollte um die Hornkapsel herum aus weichem und saugfähigem Material bestehen, beispielsweise aus einem Baumwolle-Viskose-Mix in einem geschlagenen Mullumschlag oder einer saugfähigen Baby-Windel. Das Material sollte zunächst mithilfe eines selbstklebenden Verbandes fixiert und anschließend mit Panzerklebeband befestigt werden. Das Klebeband muss etwas unterhalb des Kronrandes enden, das einzuweichende Material minimal darüber.

Über etwa zwei bis drei Tage hinweg sollte der Angussverband dann mit Kernseifenwasser oder Salzwasser feucht gehalten werden. Danach kann der Verband wieder entfernt und überprüft werden, ob das Hufgeschwür herausgebrochen ist. Anhaltspunkt dafür kann eine mit einer grauen Flüssigkeit getränkte Stelle im entfernten Verband sein, die einen Geschwürdurchbruch bestätigen und bei dessen Lokalisierung helfen würde. Gibt es weder eine solche Stelle noch einen Geschwürdurchbruch, könnte es sein, dass die Ursache der Lahmheit doch nicht von einem Hufgeschwür verursacht wird. Der Huf muss in diesem Fall weiterhin beobachtet werden. Besteht aufgrund einer fehlenden Diagnose weiterhin der Verdacht auf ein Hufgeschwür, kann erneut ein Angussverband für zwei bis drei weitere Tage angelegt werden. Führt auch der zweite Angussverband nicht zu einem Geschwürdurchbruch, sollte das Problem unbedingt wieder an den Tierarzt übergeben werden. Ein Röntgenbild kann in diesem Fall möglicherweise bei der Ursachenfindung helfen.

Läuft das Pferd mit einem Angussverband plötzlich viel besser und hat weniger Schmerzen, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass das Hufgeschwür herausgebrochen ist. In diesem Fall kann der Verband natürlich früher abgenommen und nach dem Geschwürdurchbruch gesucht werden.

Ist das Geschwür herausgebrochen, muss das zerfledderte Horn drumherum vorsichtig etwas geglättet werden, damit sich während des Heilungsprozesses keine Flüssigkeit an der entsprechenden Stelle sammeln und den Heilungsprozess verschleppen kann. Das Hufgeschwür im Hufinneren sollte nun eliminiert sein, die Schmerzen sollten nachlassen und der Huf kann in den kommenden Monaten heilen. Die offenen Stellen müssen aber unbedingt weiterhin sauber und trocken gehalten werden.

Ein Huf mit einem Geschwürdurchbruch und einer ehemals defekten Lederhaut am Kronrand

Ein Geschwürdurchbruch mit drumherum etwas geglättetem Horn.

Vorgehen bei einem unentdeckten Hufgeschwür, das herausgebrochen ist

Bricht ein zuvor unentdecktes Hufgeschwür am Kronrand heraus, dann muss zusätzlich nach dem Eintrittskanal gesucht und dieser danach geöffnet werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass genug Sauerstoff in den Kanal gelangen kann und die restlichen Bakterien vollständig eliminiert werden. Das entsprechende Vorgehen wurde weiter oben bereits beschrieben. Die beiden folgenden Abbildungen zeigen beispielhaft das Öffnen des Eintrittskanals eines zuvor unentdeckten Hufgeschwürs, das am Kronrand herausgebrochen war (siehe vorherige Abbildung).

Huf mit der gefundenen Eintrittstelle eins Hufgeschwürs und langsames Öffnen des Hufgeschwürkanals

Auch bei einem Geschwürdurchbruch eines zuvor unentdeckten Hufgeschwürs muss die Eintrittsstelle gesucht und der Kanal geöffnet werden.

Freischneiden eines Hufgeschwürkanals

Der Kanal sollte am Rand schonend und harmonisch geglättet werden, damit sich kein Schmutz festsetzen kann.

Wurde auch der Eintrittskanal freigelegt, sollten die Bakterien keine weitere Überlebenschance haben. Das nachwachsende Horn kann die offenen Stellen nun schließen und der Huf kann heilen, wie die folgenden Abbildungen zeigen.

Huf mit einem ehemaligen Geschwürdurchbruch teilweise heruntergewachsen

Der Geschwürdurchbruch inmitten der Hufwand beim Herunterwachsen nach distal.

Der Geschwürdurchbruch wächst mit der Zeit nach distal und der Huf regeneriert sich vollständig, wie die beiden folgenden Abbildungen zeigen.

Huf mit einem ehemaligen Geschwürdurchbruch unten angekommen

Der Geschwürdurchbruch unten angekommen.

Vollständig geheilter Huf, der ehemals von einem Hufgeschwür befallenen war

Der Huf hat sich vom Hufgeschwür vollständig erholt, der Geschwürdurchbruch ist unten herausgewachsen.

Auch der offengelegte Eintrittskanal eines Hufgeschwürs an der Sohle wächst bei regelmäßiger Reinigung wieder zu, wie die beiden folgenden Bilder zeigen.

Huf mit geöffnetem und anschließend zugewachsenenen Hufgeschwürkanal

Beispiel eines geöffneten Eintrittskanals (links), der nach vier Monaten wieder zugewachsen war (rechts).

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Eckdaten der Beratung

  • Ort: Online
  • Termine: Nach Vereinbarung via E-Mail christian.fuessel@chevalance.com
  • Technische Voraussetzungen:
    • Internet-Zugang
    • Endgerät wie PC, Tablet oder Smartphone
    • Kommunikations-App mit Video-Funktion (wird per E-Mail benannt)
  • Teilnehmerzahl: 1
  • Dauer: Ca. 60 min.
  • Preis: 60 €*

*Im Preis ist die aktuell gültige Mehrwertsteuer von 19 % in Deutschland enthalten.

Was ist ein Abszess?!

Bei einem Abszess handelt es sich im Gegensatz zu einem Hufgeschwür, das außerhalb der Lederhäute sein Unwesen treibt, um eine Infektion des durchbluteten Gewebes innerhalb der Lederhäute. Ursache für den Abszess ist ein Defekt in der Lederhaut, der beispielsweise durch den dauerhaften Druck eines Hufgeschwüres entstehen kann. Das Hufgeschwür bleibt in einem solchen Fall meist lange unentdeckt, wodurch es die Bakterien durch die Lederhaut hindurch schaffen und die Infektion verursachen können. Hält die Infektion lange an, können die inneren Strukturen nachhaltig geschädigt werden.

Ähnlich wie bei einem ausgeprägten Hufgeschwür hat das Pferd bei einem Abszess erhebliche Schmerzen und lahmt, der Ausfluss ist allerdings eitrig gelb mit üblem Geruch und nicht grau wie bei einem Hufgeschwür.

Die Behandlung eines Abszesses ist auf jeden Fall eine Sache für den Tierarzt, da hierbei unbedingt steril gearbeitet werden muss. Das Vorgehen ist allerdings das gleiche wie bei einem Hufgeschwür, denn auch bei einem Abszess muss ein möglicher Eintrittskanal geöffnet und eine Ausbruchstelle freigelegt werden. Bleiben die geöffneten Stellen sauber und trocken, bestehen auch bei einem Abszess gute Heilungschancen.

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