Hufrehe
Bei einer Hufrehe leidet das Pferd meist unter starken Schmerzen, verursacht durch das Auseinanderreißen des Hufbeinträgers und die Überlastung der Sohle bzw. der Sohlenlederhaut. Das Pferd entlastet deshalb häufig die Vorderhufe, indem es sein Gewicht auf die Hinterhand verlagert und die Vorderbeine nach vorne ausstreckt. Welche Symptome das Pferd noch zeigt, welche Ursachen zu einer Hufrehe führen und wie Du damit umgehen solltest, erkläre ich Dir im folgenden Beitrag.
Achtung! Das folgende Vorgehen muss unbedingt mit einem Tierarzt abgestimmt und von einem erfahrenen Hufbearbeiter durchgeführt werden.
Was tun beim Verdacht auf Hufrehe?!
Bei Hufrehe handelt es sich um eine keimfreie Entzündung der Lederhäute an allen Hufen gleichzeitig. Ursache dafür ist eine erhebliche Stoffwechselstörung, die dazu führt, dass die Hufbeinträger der Hufe ihre Funktion verlieren. Die Folgen können fatal sein. Zunächst löst sich durch die entgegengesetzte Gewichtskraft des Pferdes und den auf die Hufwand wirkende Bodengegendruck der jeweilige Hufbeinträger vom Hufbein, abhängig von der Ausprägung der Hufrehe. Mehr dazu gleich. Schauen wir uns dazu kurz die Funktion des so wichtigen Hufbeinträgers an.
Der Hufbeinträger
Der Hufbeinträger ist eine elastische Verbindung zwischen der Hufwand und des Hufbeins, genau erläutert im Beitrag Hufelemente. Tritt das Pferd auf, federt der Hufbeinträger die Gewichtskraft des Pferdes ab, vorausgesetzt die Hufwand hat einen Tragrand und berührt beim Auftreten des Hufes den Boden. Der Hufbeiträger ist vergleichbar mit den Gummis eines Trampolins. Verursacht eine auf dem Trampolin wippende Person eine Gewichtskraft, dann geben die Gummis nach und federn die Gewichtskraft ab. Die Stützen des Trampolins sind vergleichbar mit der Hufwand eines Hufes, die auf dem Boden auftreten muss, damit die Federung funktioniert. Ist der Hufbeinträger defekt, wie bei einer Hufrehe, dann ist das vergleichbar mit durchgeschnittenen Gummis eines Trampolins. Das Netz des Trampolins läge in diesem Fall am Boden und die Federung wäre eliminiert.
Folgen einer Hufrehe
Bei einer akuten Hufrehe kann es deshalb zu einer Absenkung des Hufbeines in die Hornkapsel kommen, wenn sich der Hufbeinträger komplett vom Hufbein löst, wie die folgende Illustration zeigt. In diesem Fall wird die Gewichtskraft des Pferdes über das Hufbein komplett auf die Sohle verlagert, die sich dadurch sogar nach unten wölben kann, entgegen ihrer üblichen Wölbung nach oben. Im schlimmsten Fall kann das Hufbein durch die Sohle hindurch brechen.
Illustration einer Hufbeinabsenkung mit einer hohen Belastung der Sohle, aber ohne Durchbruch des Hufbeins.
Bei einer chronischen Hufrehe kann die Rotation des Hufbeines um das Hufgelenk herum die Folge sein, auch bei einem Huf mit einer normalerweise nach vorne gebrochenen Huf-Fessel-Achse. Das Hufbein rotiert in einem solchen Fall aufgrund der Spannung der tiefen Beugesehne über die übliche Flexion hinaus. Auch bei einer Hufbeinrotation wird ein wesentlicher Teil der Gewichtskraft des Pferdes auf die Sohle verlagert. Im schlimmsten Fall kann das Hufbein auch bei einer Rotation durch die Sohle hindurchbrechen, wie die folgende Illustration zeigt.
Illustration einer Hufbeinrotation um das Hufgelenk herum mit einem Durchbruch des Hufbeins.
Unabhängig von der Ausprägung der Hufrehe, bildet sich ein Narbengewebe, das die Lücke zwischen Hufbein und Hufwand schließt. Betrachtet man ein lateral angefertigtes Röntgenbild eines entsprechenden Hufes, verläuft dieses Narbengewebe meist keilförmig, weshalb man es auch als „lamellären Keil“ bezeichnet. Das Narbengewebe hat leider keine Tragefunktion.
Symptome
Bei einer Hufrehe leidet das Pferd meist unter erheblichen Schmerzen, verursacht durch das Auseinanderreißen des Hufbeinträgers und die Überlastung der Sohle bzw. der Sohlenlederhaut. Da die Vorderhand eines Pferdes aufgrund der anatomischen Position von Kopf und Hals mehr belastet wird, sind sowohl die Schmerzen als auch die Folgen der Hufrehe dort am größten. Das Pferd entlastet deshalb häufig die Vorderhufe, indem es sein Gewicht auf die Hinterhand verlagert und die Vorderbeine nach vorne ausstreckt, ähnlich wie bei einem Schulhalt, nur ohne Versammlung. Alternativ belasten betroffene Pferde auch abwechselnd die beiden Vorderhufe in kurzen Abständen und beim Laufen treten sie mit allen Hufen extrem vorsichtig auf, als würden sie auf heißen Kohlen laufen. Manchmal legen sich Pferde sogar hin, um die Schmerzen zu lindern.
Auch an den Hufen selbst können Symptome auftreten, die durch die Hufrehe verursacht werden. Bei einer akuten Hufrehe entsteht häufig eine ausgeprägte horizontale Falte aufgrund der Trennung des Hufbeinträgers vom Hufbein. Auch an der Sohle ist der Hufbeinträger sehr stark verbreitert und somit aufgerissen, vor allem im Bereich der Zehe oder an sehr stark zur Seite ausweichenden Hufwandabschnitten. Das oben bereits erwähnte Narbengewebe ist in solchen Fällen zwischen Hufwand und Sohle meist sehr gut zu erkennen.
Beispiel für eine typische horizontale Falte in der Hufwand eines Rehehufes. Die Hufrehe ist in diesem Fall bereits überstanden, die Falte wächst nach unten. Oberhalb der Falte funktioniert der Hufbeinträger wieder, darunter nicht.
Meist reagiert das betroffene Pferd auch sensibel auf das Abklopfen der Hufwand. Außerdem kann der Huf verhältnismäßig warm sein und am Kronrand oben pulsieren. Beim Abtasten der Hufsohlen mit der Hufuntersuchungszange reagiert das Pferd bei Hufrehe äußerst sensibel. Sollte das Hufbein durch die Sohle hindurchgebrochen sein, ist das selbstverständlich auch an der Sohle zu erkennen.
Auslöser
Die Stoffwechselstörung, die Hufrehe auslöst, kann unterschiedliche Ursachen haben. Diese Ursachen werden im folgenden lediglich aufgezählt aber nicht ausführlich beschrieben, denn dazu gibt es umfangreiche Fachliteratur, die ich bei tiefgründigem Interesse sehr empfehlen kann. Auslöser für Hufrehe können sein:
- Überfütterung
- Futterumstellung
- Equines Metabolisches Syndrom (EMS)
- Equine Cushing Diseases (ECD)
- Vergiftung
- Nachgeburt
- Medikamente
Vorgehen bei Hufrehe
Um die Hufrehe zu stoppen, muss die Ursache unbedingt identifiziert und dauerhaft abgestellt werden. Dafür ist zunächst der Tierarzt verantwortlich, danach der Pferdebesitzer in Abstimmung mit dem Tierarzt. Darüber hinaus kann eine Kryotherapie die Hufrehe kurzfristig stoppen, sie behebt allerdings nicht die Ursache. Bei der Kryotherapie müssen die Hufe etwa drei Tage lang ununterbrochen mit Crushed Ice gekühlt werden, was natürlich sehr aufwendig ist, da man auf die Hufrehe mit ausreichend Eis und Fußballstutzen für die Fixierung des Eises vorbereitet sein muss. Außerdem benötigt man drei Tage lang Zeit.
Da bei einer Hufrehe die Hufbeinträger ihre Funktion verlieren und die Hufwände an ihm zerren, müssen die Hufwände entlastet werden. Dazu kann man die Tragränder der Hufe entfernen und das Pferd auf einen sehr weichen Untergrund stellen oder Polsterverbände an allen Hufen anlegen. Mithilfe der Polsterverbände kann die Belastung primär auf den Strahl und sekundär auf die Sohle verlagert werden, damit das Pferd weich stehen und laufen kann. Hat man seinem Pferd das Hinlegen beigebracht, ist auch das eine Option, um dem Pferd zu zeigen, dass es so die Schmerzen lindern kann. Ergänzend dazu kann eine mit dem Tierarzt abgestimmte Blutegel-Therapie helfen, die Entzündung der Lederhäute zu lindern und den Heilungsprozess zu fördern. Sind die akuten Schmerzen vorbei, müssen vor allem die Hebelkräfte an den Hufwänden ausgeschaltet werden, damit sie nicht zu sehr am defekten Hufbeinträger zerren. Dazu sollten die Hufe in kurzen Abständen huforthopädisch bearbeitet werden, wie im Beitrag Die Chevalance Huforthopädie© beschrieben. Die Sohle sollte dabei aber zunächst unbearbeitet bleiben, bis der Hufbeinträger wenigstens im oberen Bereich wieder funktionsfähig ist und die Kräfte abfedert.
Anfälligkeit der betroffenen Hufe
Da die Hufe bei einer Hufrehe sehr anfällig sind, vor allem aufgrund der verbreiterten Hufbeinträger zwischen den Hufwänden und den Hufsohlen, können Bakterien eindringen und den Heilungsprozess erschweren. Im schlimmsten Fall können sogar Hufgeschwüre oder Abszesse entstehen. Um dies zu vermeiden, sollten die Hufe während und nach der Hufrehe besonders gut sauber und trocken gehalten werden, bis sie wieder vollständig regeneriert sind .
Heilungschancen
Stellt man die Ursache für die Hufrehe rechtzeitig ab, bestehen oft sehr gute Heilungschancen. Schon nach kurzer Zeit wächst neues Lamellenhorn von oben nach unten und verbindet sich innen mit dem Hufbeinwand- und Hufknorpel-Horn und außen mit der Hufwand, die von der Kronlederhaut produziert wird. Ist der Hufbeinträger 1 bis 2 cm unterhalb des Kronrandes wieder funktionsfähig, beginnt die Hufwand wieder Last aufzunehmen und die Schmerzen lassen nach. Bleibt die Ursache für die Hufrehe behoben, kann sich der Hufbeinträger langsam von oben nach unten regenerieren, bis er am Ende wieder voll funktionsfähig ist.
Empfehlung
Da die grundlegenden Kenntnisse und die praktische Umsetzung in der Huforthopädie im Fokus stehen, wird hier auf eine genaue Beschreibung der Hufrehe-auslösenden pathogenen Abläufe verzichtet. Bei einem tiefgründigen Interesse darüber, empfehle ich deshalb eine ergänzende Recherche der auf dem Markt veröffentlichten Fachliteratur zum Thema Hufrehe.
Benötigst Du meine Unterstützung beim Verdacht auf eine Hufrehe? Dann melde Dich bei mir über die folgende Schaltfläche.
Eckdaten der Beratung
- Ort: Online
- Termine: Nach Vereinbarung via E-Mail christian.fuessel@chevalance.com
-
Technische Voraussetzungen:
- Internet-Zugang
- Endgerät wie PC, Tablet oder Smartphone
- Kommunikations-App mit Video-Funktion (wird per E-Mail benannt)
- Teilnehmerzahl: 1
- Dauer: Ca. 60 min.
- Preis: 60 €*
*Im Preis ist die aktuell gültige Mehrwertsteuer von 19 % in Deutschland enthalten.
Belastungsrehe
Abschließend möchte ich noch kurz Stellung beziehen zur sogenannten Belastungsrehe. Die Belastungsrehe ist eine irreführender Bezeichnung für deformierte Hufe, bei denen die starken Hebelkräfte von zur Seite ausweichenden Hufwänden extrem am Hufbeinträger zerren. Da der Hufbeinträger an den entsprechenden Stellen den starken Hebelkräften nicht mehr standhalten kann, reißt er oft mehr oder weniger auseinander.
Es handelt sich bei einer Belastungsrehe also nicht um eine keimfreie Entzündung der Lederhäute, wie bei der eigentlichen Hufrehe, sondern um einen stark deformierten Huf. Ursache für die sogenannte Belastungrehe ist meist eine falsche oder eine zu seltene Bearbeitung des jeweilgen Hufes, so ähnlich wie im Abschnitt So entstehen Deformierung und Hufprobleme beschrieben. Wie man das löst und wieder für einen vitalen Huf mit einer funktionalen Form sorgt, ist im Abschnitt So löst man Hufprobleme nachhaltig und bringt die Hufe wieder in Form beschrieben.